Tschentschers Regierungserklärung: Alte Rezepte für alte Probleme 

Zur heutigen Regierungserklärung des Ersten Bürgermeisters Peter Tschentscher sagt Heike Sudmann, Co-Vorsitzende der Fraktion Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft: „Die dritte Runde Rot-Grün bringt keinen Aufbruch, sondern nur ein ‚weiter so‘. Die Entwicklung der letzten zehn Jahre zeigt: Reiche werden immer reicher, die Rechten werden rechter, Mieten werden höher, viele Hamburger*innen werden ärmer, das Klima wird heißer und der Hafen wird privater. Das ficht die SPD und die Grünen nicht an, sie halten an ihren alten Rezepten fest. Warum sind sie nicht lernfähig? (Foto: M.Zapf, Bürgerschaft HH)

Trotz ‚bauen, bauen, bauen‘ und ‚Drittelmix‘ sind allein von 2018 bis 2023 die Neuvermietungen um 25 Prozent teurer geworden. Am größten ist die Not für Menschen mit wenig Einkommen – es gibt viel zu wenig Angebote. Trotz dieser Feststellungen aus einem aktuellen Gutachten der Stadtentwicklungsbehörde bleibt es beim Drittelmix und der selbst von Rot-Grün als unrealistisch eingeschätzten Zahl von 10.000 jährlich Baugenehmigungen. Rot-Grün verweigert beim Mietwucher ebenso die Arbeit wie beim Mietendeckel.

Über 80mal enthält der Koalitionsvertrag Prüfaufträge, zigmal finden sich nur vage Aussagen. Das kritisiert nicht nur die Linke. Auch die Sozialverbände monieren zu viele Absichtserklärungen und zu wenig Konkretes. Für Die Linke fehlt aber auch eine behördenübergreifende Anti-Armutsstrategie. Wie wenig Bedeutung die Sozialpolitik hat, zeigte der Erste Bürgermeister auch heute in seiner Rede: Er erwähnt sie nicht mal. Was für eine Missachtung und Herabwürdigung der vielen Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen Hilfe brauchen.

Bürokratieabbau findet sich auch in diesem Koalitionsvertrag wieder als Heilsbringer. Unverdrossen ignorieren SPD und Grüne die Personalnot und Arbeitsüberlastung im öffentlichen Dienst. Um mehr Fachkräfte zu gewinnen und zu halten, muss endlich eine Hamburg-Zulage für alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst eingeführt werden. 

Der versprochenen ‚Stadt der guten Arbeit‘ fehlt nicht nur ein Landesmindestlohn wie in Bremen, sondern auch ein eigenes Tariftreuegesetz. Weiter auf den Bund zu warten, ist keine Lösung. Und auch eine ‚Stadt der guten Gesundheit‘ muss der neue Senat sich auf die Fahnen schreiben. Es ist nicht hinnehmbar, dass Menschen mit wenig Geld bis zu zehn Jahre früher sterben als reichere Menschen. Städtische Gesundheitszentren mit einer breiten medizinischen Versorgung wie in der Poliklinik auf der Veddel brauchen wir in vielen Stadtteilen. 

Aus der investor*innengetriebenen Stadtentwicklung haben SPD und Grüne nichts gelernt. Das zeigt sich beim Holstenareal und bei der Kühne-Oper. Und natürlich beim Elbtower, den sie im Koalitionsvertrag vorsorglich gar nicht erst erwähnen. Öffentliche Gelder für einen privaten Investor darf es beim Elbtower nicht geben. Daran werden wir den Ersten Bürgermeister immer wieder erinnern. 

Das alte Stadtentwicklungsprojekt ‚Olympische Spiele in Hamburg‘ wird dafür dann aber wieder ausgebuddelt. Wohin Olympia als Mittel der Stadtentwicklung führt, lässt sich gut in London beobachten, wo die innere Stadt mittlerweile unbezahlbare Mieten hat. 

Die Einschätzung des Nabu, dass der Koalitionsvertrag aus ökologischer Sicht enttäuschend ist, teilen wir. Eine Evaluation von Klimaplan und Klimaschutzgesetz sind nicht vorgesehen. Die sozialpolitische Abfederung der Maßnahmen bleibt unkonkret. 

Beim Verkehr wird aus der Priorität für den Umweltverbund jetzt ein Hand-in-Hand-Gehen mit einer besseren Mobilität für den motorisierten Individualverkehr. Die A26-Ost soll weitergebaut werden – die Grünen werden zur Auto-Partei. Wie enttäuschend für die vielen Grünen-Wähler*innen.  

Mit der Aussage, dass Hamburg die besten Chancen hat, ‚die klügsten Menschen  anzuziehen‘ scheinen auch SPD und Grüne dem eigenen Bildungssystem nicht allzuviel zuzutrauen. Mit dem Festhalten an der zweigliedrigen Schulstruktur wird weiterhin vor allem der ökonomische Familienhintergrund über die Bildungschancen entscheiden.

Wer das Erstarken rechtsextremer Kräfte und die Instrumentalisierung von Ängsten und Stimmungsmache gegen Schutzsuchende beklagt und gleichzeitig mit dem Dublin-Zentrum die ‚Effizienz der Rücküberstellungen‘ propagiert, ist ein Teil des Problems. Gegen den massiven Rechtsruck brauchen wir eine andere Sozial- und Arbeitsmarktpolitik, damit die Angst vor dem sozialem Abstieg verschwindet. Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zum NSU soll weiterhin nicht kommen. Dafür soll es jetzt beim Verfassungsschutz eine Regelanfrage bei Einstellungen im öffentlichen Dienst geben. Rechtsextreme können schon heute aus dem öffentlichen Dienst entfernt werden, die Regelanfrage ist ein Rückfall in alte Zeiten, die vor allem kritische linke Stimmen und Aktivist*innen abschrecken soll. 

Hamburg kann und muss auch ein wichtiges Zeichen gegen die neue Kriegstüchtigkeit, die Vorbereitung der Bürger*innen auf einen Krieg setzen. Statt immer mehr Aufrüstung, Rüstungsexporte über den Hamburger Hafen und dem geplanten Nato-Manöver ‚Red Storm Bravo‘ müssen alle Anstrengungen für Abrüstung und Diplomatie unterstützt werden. Die Erkenntnis aus dem Kalten Krieg lautete, dass es ohne Abrüstung keinen dauerhaften Frieden gibt.“ 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert