Holsten-Areal: Wirtschaftskrimi, Tragödie oder einfach nur Spekulation mit politischer Unterstützung?

Gerade hat der Senat in Zusammenhang mit der Adler-Group und unter anderem dem Holsten-Areal die Notbremse gezogen. Im letzten Bürger:innen-Brief hatte Heike Sudmann unter dem Titel “Holsten-Areal: Wirtschaftskrimi, Tragödie oder einfach nur Spekulation mit politischer Unterstützung?” (Ausgabe 17. Mai 2022) über die Hintergründe dieses Deals berichtet. Aus aktuellem Anlass bringen wir diese Analyse hier noch mal direkt online.

Seit Jahren steht das Gelände der ehemaligen Holsten-Brauerei in Altona im Blickpunkt von Stadtentwicklung und Politik. Mit dem Umzug der  mittlerweile zu Carlsberg gehörenden Brauerei nach Hausbruch bestand eine echte Möglichkeit, eine neue Stadtteilentwicklung in Altona  einzuleiten. Doch diese Chance wurde vom SPD-Senat unter Olaf Scholz bewusst vertan, auch durch den Verzicht auf ein mögliches Vorkaufsrecht. Vielmehr wurden Tür und Tor für eine massive Grundstücksspekulation weit geöffnet.

Ein kleiner Rückblick

Im Jahr 2016 hätte die Stadt das Grundstück für rund 65 Mio. Euro von Carlsberg kaufen können. Stattdessen ließ sie sich auf die Wünsche von Carlsberg ein und versprach, eine viel höhere Verdichtung zu ermöglichen. Statt 120.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche (BGF) sollte nun der Bebauungsplan 160.000 bis 180.000 Quadratmeter BGF zulassen. Diese hohe Verdichtung war gut für die Eigentümer:innen, denn dadurch sprang der Grundstückswert mal eben auf 150 Mio. Euro. Carlsberg hat das Grundstück dann auch teuer verkauft – nicht an die Stadt. Nach mehreren Eigentümer:innenwechseln gehört das Grundstück jetzt Consus bzw. der Adler Group.

Was ist bisher geplant auf dem Gelände?

Jahrelang liefen Gespräche mit den Eigentümer:innen über den Bebauungsplanentwurf und einen Städtebaulichen Vertrag. Am 2. Juni 2021 wurde im Planungsausschuss der Bezirksversammlung Altona der Entwurf des städtebaulichen Vertrags zwischen dem Bezirksamt und dem derzeitigen Eigentümer des Holstenareals, dem Projektentwickler Consus bzw. AdlerGroup, vorgestellt. Danach sollen von den über 1.200 geplanten Wohnungen

  • 365 geförderte Wohnungen mit 30jähriger Bindungslaufzeit,
  • 50 Wohnungen mit einer gedeckelten Miete von 12,90 Euro und weitere 50 Wohnungen zu 14,90 Euro pro Quadratmeter nettokalt,
  • 235 freifinanzierte Wohnungen,
  • 370 Eigentumswohnungen sowie
  • 170 Wohnungen für Baugemeinschaften entstehen.

Laut Informationen der „ZEIT“ aus dem Sommer 2021 soll die Kaltmiete für die freifinanzierten Wohnungen bei 23 Euro liegen.

700 teure Wohnungen und eine Verdichtung, die nur für den Investor gut ist, sind weder ein Kompromiss noch ein Erfolg. Sie sind eine Bankrotterklärung des Senats gegenüber Investor:innen, die mit legalen Tricks (u.a. share deals) den Grundstückswert in exorbitante Höhe getrieben haben. Lag der Verkaufspreis des Grundstücks im Jahr 2016 noch bei 150 Mio. Euro, zahlte Consus vier Jahre später bereits 320 Mio. Euro. Mittlerweile wird in den Bilanzen von Consus bzw. Adler Group der Grundstückswert mit 364 Mio. Euro angegeben.

Im Herbst 2021 erhob der sogenannte Shortseller Fraser Perrier schwere Vorwürfe gegen die Adler Group, u.a. auch im Zusammenhang mit der Übernahme von Consus. Die Adler Group trat notgedrungen die Flucht nach vorn an und gab eine Sonderuntersuchung bei den Wirtschaftsprüfer:innen von KPMG Forensik in Auftrag.

Am 22. April 2022 wurde nun die KPMG-Sonderuntersuchung zu den Vorwürfen gegen die Adler Group bzw. Consus – z.B. überhöhte Immobilienbewertungen, falsche Darstellung des Verschuldungsgrades und Transaktionen mit mutmaßlich nahestehenden Personen – veröffentlicht. Der erhoffte Befreiungsschlag für die Adler Group blieb aus. Bezogen auf das Holsten-Areal stellt KPMG fest, dass der Vorwurf, die ermittelten Werte seien nicht angemessen, nicht widerlegt werden konnte (S. 114). Von besonderer Bedeutung im Zusammenhang mit dem geplanten Städtebaulichen Vertrag des Bezirks mit dem Investor ist folgende Aussage von KPMG: „Der Vorwurf, dass Adler nicht über die finanziellen Mittel verfügt, die Projektentwicklungen umzusetzen, kann auf Basis der uns in der Sonderuntersuchung zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht widerlegt werden“ (S. 117).

Die Sonderuntersuchung von KPMG war schon ein schwerer Schlag für die Adler Group und ließ den Aktienkurs abstürzen. Eine Woche später wurde bekannt, dass die Adler Group von den KPMG-Wirtschaftsprüfer:innen das erforderliche Testat für den Jahresabschluss 2021 nicht erhält. Schlimmer geht es nicht für die Adler Group – und auch nicht für die Stadt.

Das müsste auch den naivsten Fürsprecher:innen für die Eigentümerin Adler Group im Bezirk und Senat jetzt reichen. Mit diesem unseriösen Unternehmen dürfen keine Verträge gemacht werden! Da kann auch keine vom Bezirksamt bzw. den Altonaer GRÜNEN geforderte Finanzierungszusage einer Bank irgendwas heilen. Schon das bisherige Spekulationsgebaren mit der wundersamen Erhöhung des Grundstückswert des Holstenareals auf mehrere hundert Millionen Euro hat doch bewiesen, dass es der Adler Group nicht um Stadtentwicklung oder Wohnungsbau geht, sondern ausschließlich um höchste Profite.

Jede weitere Diskussion über den Abschluss eines Städtebaulichen Vertrages mit Consus/Adler Group ist überflüssig. Und wer jetzt noch den für Consus/Adler Group maßgeschneiderten Bebauungsplan verabschieden will, belohnt Spekulation und macht jede sinnvolle Stadtteilentwicklung kaputt. „Zurück auf Los!“ muss die Devise jetzt lauten. Damit der horrende Bodenpreis wieder gesenkt werden kann, braucht es eine so genannte Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme. Damit beginnt der Einstieg in eine soziale und nachhaltige Entwicklung für das Holstenareal und die umliegenden Quartiere. Dass mittlerweile auch der Senat einen Kauf des Grundstücks erwägt, ist gut. Aber auf gar keinen Fall darf das zu den Mondpreisen der Adler Group erfolgen.